Verbandsbeteiligung

Der NABU Holzminden wird als anerkannter Naturschutzverband nach Bundesnaturschutzgesetz  an Planungen von Vorhaben beteiligt, die in die Natur eingreifen, z.B. Straßenbau, Rohstoffgewinnung, Regionalplanung, Maßnahmen in Schutzgebieten.  

 

Er erarbeitet naturschutzfachliche Stellungnahmen, die konkrete Vorschläge beinhalten, um solche Eingriffe zu vermeiden, zu minimieren, auszugleichen oder ggf. Ersatz zu schaffen.

 

Hier einige der aktuellen Stellungnahmen des NABU Holzminden:


Stellungnahme zur 3. Änderung des Flächennutzungsplans "Böntalstraße" in HOL

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Stellungnahme_ FNP_Böntalstraße_NABU und
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Verordnung zum Landschaftsschutzgebiet geändert

Kreistag hebt Bauverbot auf

Mit der Mehrheit von SPD, CDU, FDP, UWG, AfD und der Landrätin hat der Kreistag gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen am 07.04.2017 beschlossen, dass im Landschaftsschutzgebiet „Sollingvorland-Wesertal“ mit vorheriger Erlaubnis der Unteren Naturschutzbehörde große Stallanlagen gebaut werden können. 

In der zurzeit noch gültigen Verordnung vom 20.04.2015, damals beschlossen von der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, steht die Einschränkung, dass nur der Kreistag den Bau von Anlagen, die eine Grundfläche von 400 Quadratmetern und 4 Meter Höhe überschreiten, einen Aus- oder Neubau von Zufahrtsstraßen oder ein Verfahren nach dem Bundesimmissionschutzgesetz erfordern, im Rahmen eines Teillöschungsverfahrens ermöglichen kann.

Mit dem Kreistagsbeschluss wird jetzt wohl auch das Normenkontrollverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg hinfällig, das ein Landwirt angestrengt hatte mit dem Ziel zu überprüfen, ob in einer LSG-Verordnung solche Einschränkungen  festgelegt werden können. 


„Landwirtschaft mit Zukunft“  - zur geplanten Änderung der Landschaftsschutzgebiets-verordnung

Leserbrief vom 21.01.2017 im Täglichen Anzeiger Holzminden (TAH)

Bevor die Kreistagsabgeordneten in den Ausschüssen über eine Änderung der Verordnung für das Landschaftsschutzgebiet „Sollingvorland-Wesertal“ debattieren, hier als Denkanstoß einige Auszüge aus einer Rede von Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks (SPD), die sie am 17.01.2017 auf einer Tagung mit dem Titel „Landwirtschaft mit Zukunft“ gehalten hat:

 
„(…)
Die Landwirtschaft in Deutschland befindet sich in einer tiefen Krise. In einer ökonomischen Krise, in einer Akzeptanzkrise gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern und in einer Umweltkrise. (…) wir brauchen eine breite Diskussion über eine Landwirtschaft, die sozial und ökologisch ist. Die für eine faire Entlohnung sorgt. Die das Wohl der Tiere und die Belastungsgrenzen der Natur respektiert. (...) Wir brauchen zunächst einmal einen besseren Rechtsrahmen. Wenn wir eine nachhaltige Landwirtschaft wollen, dann müssen wir verhindern, dass sie die Natur stärker belastet, als diese es verkraften kann. Bestimmte Sonderregelungen für die Landwirtschaft im Umwelt- und im Bauplanungsrecht werden ihre Berechtigung behalten. Diese Vorschriften müssen dann aber umweltverträglich zugeschnitten werden. Die Zeit, in der die Landwirtschaft Vorrang vor den Belangen der Umwelt hat, muss vorbei sein. Das heißt zum Beispiel: Wir müssen die Privilegierung landwirtschaftlicher Tierhaltungsanlagen im Baurecht neu justieren. Große Tierhaltungsanlagen sollten im Außenbereich nur noch zugelassen werden, wenn die Gemeinde einen entsprechenden Bebauungsplan erlässt und eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführt. Das hilft dem Umweltschutz. Es vermeidet Nutzungskonflikte. Vor allem aber stärkt es die Akzeptanz. Es passt einfach nicht in die Zeit, wenn zum Beispiel am Ortsrand neue Agrarbetriebe entstehen, ohne dass die Kommunen darauf einen Einfluss haben. Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, mitzubestimmen, wie ihr Ort aussehen soll. Ausgerechnet die Landwirtschaft von diesem Prinzip auszunehmen, schadet ihr am Ende selbst.

Die Rede beinhaltet viele weitere interessante Aspekte und ist auf der Internetseite des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit nachzulesen.

 

Die gültige Verordnung für das LSG „Sollingvorland-Wesertal“ ist zeitgemäß. Sie zu ändern und damit die Errichtung großer Massentierhaltungsanlagen zu erleichtern, wäre ein großer Rückschritt und würde nur den wirtschaftlichen Interessen einiger weniger dienen. Diese Art der Landwirtschaft hat keine Zukunft – das zeigen auch die immer häufiger auftretenden Ausbrüche von Vogelgrippe. Nach Ansicht der Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe zu Vogelgrippe und Wildvögeln der Vereinten Nationen sind die weltumspannenden Handelsbeziehungen der Geflügelindustrie mit dem Transport von Eiern, Küken, lebendem Geflügel und Geflügelprodukten für die Verbreitung des Virus verantwortlich. Fast täglich erreichen uns Bilder von massenhaft getöteten Puten oder Hühnern aus anderen Regionen des Landes. Wollen wir solche Bilder in Zukunft auch aus unserem Landkreis sehen?

 

Tanja Frischgesell
NABU Holzminden

 


Keine Hähnchenmastställe bei Lüerdissen

Hintergrund

 

Die Geflügelfleischerzeugung ist die derzeit hässlichste Form der Tierhaltung: mit Masthühnern in Komplexen von 40.000 bis zu 400.000 Tieren, mit 22 bis 25 Tieren auf einem Quadratmeter, mit sechs Wochen Intensivmast auf eigenem Kot und daraus folgenden schmerzhaften Fußballen-Entzündungen. Die einseitige Turbozucht auf Brustfleisch vernachlässigt Skelett und Kreislauforgane – viele Tiere können sich kaum bewegen, leiden und sterben. Regelmäßige Gaben von Antibiotika sind an der Tages-ordnung.

 

In Wietze im Landkreis Celle ist ein Geflügelgroßschlachthof gebaut worden, gegen dessen Genehmigung der NABU Niedersachsen Klage beim Verwaltungsgericht Lüneburg eingereicht hat. In diesem Mega-Schlachthof sollen 27.000 Hähnchen pro Stunde geschlachtet werden; dies sind 432.000 am Tag, 2.592.000 Hähnchen pro Woche und insgesamt 134,8 Millionen Hähnchen pro Jahr. Um diesen geplanten Bedarf zu decken, müssten allein im Umkreis von 100 Kilometern 420 neue Mastanlagen mit Stallplätzen für jeweils 40.000 Tiere gebaut werden.

 

Die  Geflügelkonzerne betreiben jedoch nur zum Teil eigene Mastanlagen, vielmehr werden die Investitions- und Produktionsrisiken zumeist abhängi gen Vertragsmästern aufgedrückt, deren Gewinne man durch die Preise von Futter und Küken und bei der Abnahme der Tiere beliebig steuern kann.

 

Bauantrag für Hähnchenmastställe im Landkreis Holzminden

 

Auch im Landkreis Holzminden hat ein Landwirtsehepaar aus Lüerdissen beantragt, zwischen Lüerdissen und Dielmissen an der Bundesstraße 240 und dem Weg zum ehemaligen Zementwerk zwei Hähnchenmastställe für insgesamt 80.000 Tiere zu bauen. Gegen das entsprechende Genehmigungsverfahren hat ein auf Umweltrecht spezialisierter Rechtsanwalt aus Berlin im Januar 2011 in Vertretung der Kreisgruppen und Landesverbände von NABU und BUND eine naturschutzrechtliche Stellungnahme abgegeben und im Namen der Bürgerinitiative Tuchtberg und von 1.683 Personen und Institutionen Einwendungen erhoben. Aufgrund dieser massiven Proteste wurde der für April 2011 vorgesehene Erörterungstermin zunächst auf- gehoben.

 

Bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit  

 

Umstritten ist allein schon die Frage, wer überhaupt im Außenbereich der Gemeinden bauen darf:

 

Privilegiert nach § 35.1.1 des Baugesetzbuches sind Ställe landwirtschaft-licher Betriebe. Die sind dadurch definiert, dass sie  - unabhängig von der Größe der geplanten Anlage -  so viel Fläche bewirtschaften, dass sie  - theoretisch -  mindestens die Hälfte des benötigten Futters darauf erzeugen können. Diese eigentlich für bäuerliche Betriebe gedachte Regelung wird auch für die Errichtung von Agrarfabriken ausgenutzt.

Im konkreten Fall folgt mit Blick auf die Größe der von den Antragstellern bewirtschafteten Fläche von 130 ha und den jährlichen Gesamtfutterbedarf von 1.428 t bereits aufgrund des Anbauvolumens, dass eben nicht der überwiegende Futterbedarf der geplanten Hähnchenmastanlage gedeckt werden kann.


Eine weitere Ausnahme vom Bauverbot im Außenbereich sieht § 35.1.4 des Baugesetzbuches für Anlagen vor, die besondere Anforderungen an die Umgebung, nachteilige Wirkung auf die Umgebung oder eine besondere Zweckbestimmung haben. Dieses Privileg wird auch für Mastställe beansprucht und impliziert die Annahme, dass von ihnen eine Umweltschädigung ausgeht. (Aus diesem Grund sind diese auch nicht nach Baurecht, sondern nach Bundes-Immissionsschutz-Gesetz zu genehmigen.)
Bei den heutigen technischen Möglichkeiten können Immissionen, die von der Tierhaltung ausgehen, zum Beispiel durch den Einsatz wirksamer Filter minimiert werden. Deshalb handelt es sich bei den beantragten Hähnchenmastställen umein Vorhaben, das nicht in den Außenbereich, sondern in ein Gewerbe- oder Industriegebiet gehört.

 

Raumordnungsverfahren erforderlich

 

Sollte die Privilegierung für das Bauvorhaben als gegeben betrachtet werden, ist als erstes zwingend ein Raumordnungsverfahren durchzu-führen, denn dies ist nach der Raumordnungsverordnung des Bundes für bauliche Anlagen im Außenbereich, die der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht unterliegen, vorgeschrieben.

 

Im Regionalen Raumordnungsprogramm ist der betroffene Bereich als Vorsorgegebiet für Natur und Landschaft sowie als Vorsorgegebiet für Erholung festgelegt. Diese raumordnerisch zugewiesene Funktion kann durch die Errichtung und den Betrieb bzw. durch die Auswirkungen der geplanten Hähnchenmastanlage beeinträchtigt werden.

 

Weiterhin ist der Bereich als Vorsorgegebiet für Landwirtschaft festgelegt. Diese Festlegung zielt auf den Schutz der natürlichen landwirt-schaftlich en Ertragspotentiale ab, also auf die hohen Acker- und Grünlandzahlen. Die Versiegelung von landwirtschaftlichen Flächen beeinflusst aber die dem Standort zugewiesene Funktion, nämlich die Freihaltung des Bereiches für eine landwirtschaftliche Bodennutzung.

 

Beeinträchtigung von Schutzgebieten für Natur und Landschaft

 

Der geplante Anlagenstandort befindet sich innerhalb des EU-Vogelschutzgebietes V 68 "Sollingvorland", dessen Zielarten insbesondere folgende Arten sind: Graureiher, Uhu, Schwarzstorch, Schwarzspecht, Neuntöter, Schwarzmilan, Rotmilan und Grauspecht.

 

Etwa 420 m südwestlich der Anlage verläuft das FFH-Gebiet Nr. 391 "Lenne", und ca.1.200 m östlich bzw. nordöstlich ist das FFH-Gebiet "Ith" gelegen. Das Naturschutzgebiet "Tuchtberg" beginnt ca. 350 m südwestlich, und ca. 200 m südlich liegt das gesetzlich geschützte Biotop "GB HOL 40223/090".

 

In den Antragsunterlagen fehlen jedoch FFH-Verträglichkeitsprüfungen bzw. Vorprüfungen für die Natura-2000-Gebiete. Sollte es zu einer Genehmigung kommen, sind die anerkannten Naturschutzverbände und die privaten Einwender berechtigt, die Einhaltung von sämtlichen für die Genehmigung maßgeblichen Umweltvorschriften gerichtlich überprüfen zu lassen.

 

Besonderer Artenschutz unzureichend berücksichtigt

 

Die Prüfung des Artenschutzes setzt eine ausreichende Datenmenge hinsichtlich der im Untersuchungsraum vorhandenen streng und besonders geschützten Arten voraus. Diese erhält man durch Bestandserfassungen vor Ort als Momentaufnahme, als Ergebnisse aus langjährigen Beobachtungen und aus der Fachliteratur. Es hat jedoch nur eine einzige Begehung im Dezember 2009 stattgefunden, zu einem für die Kartierung von Habitatsstrukturen völlig ungeeigneten Zeitpunkt. Eine Bewertung der Avifauna sowie von Amphibien und Reptilien fehlt völlig. Es wurde ebenfalls nicht berücksichtigt, dass die Anlage ein hohes Störpotential auf die streng geschützte Wildkatze hat, deren Wanderungen und Aufenthalt in einem unmittelbar angrenzenden Graben nachgewiesen wurden. Und vor einiger Zeit wurde in der Nähe ein toter Feldhamster gefunden.

 

Fehlende Umweltverträglichkeitsprüfung

 

Bei der Errichtung und dem Betrieb einer Anlage zur Intensivhaltung oder Aufzucht von Mastgeflügel ab 85.000 oder mehr Plätzen ist zwingend eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erforderlich, bei 40.000 bis weniger als 85.000 Plätzen hat eine Vorprüfung des Einzelfalls stattzufinden. Eine UVP ist dann erforderlich, wenn sich nach überschlägiger Einschätzung der Behörde nicht ausschließen lässt, dass es zu Beeinträchtigungen der Schutzgüter kommt. Eine Stellungnahme der Fachbehörde mit einer Einschätzung über die UVP-Pflicht ist aber nicht bekannt.

 

Fehlerhafte Immissionsprognose

 

Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung darf nur dann erteilt werden, wenn sichergestellt ist, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen bzw. erhebliche Nachteile oder sonstige Gefahren auftreten können. Das gilt insbesondere für die hier zu betrachtenden Immissionen Geruch, Ammoniak und Staub.

 

Die Antragsunterlagen weisen hierzu erhebliche Mängel auf: So werden für die prognostizierte Immissionsausbreitung die Wetterdaten der Station Hannover-Langenhagen herangezogen und nicht Messungen vor Ort. Bei der angenommenen Geruchsbelastung der Hähnchenmastanlage werden unzureichende und veraltete Daten zugrunde gelegt. Auch die Ammoniakimmissionen werden unterschätzt und diejenigen, die im Rahmen der Entmistung freigesetzt werden, nicht berücksichtigt. Insbesondere in Bezug auf das FFH-Gebiet "Lenne" ist zu befürchten, dass durch die Ausbringung des Mistes zusätzliche Nährstoffe eingetragen werden.

 

Unzureichende Angaben über den Verbleib von Trockenmist und Abwasser

 

Gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz ist es Pflicht des Betreibers, Abfälle zu vermeiden, nicht zu vermeidende Abfälle zu verwerten und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung zu beseitigen. Hähnchenmist ist grundsätzlich als Abfall anzusehen. Über den Verbleib von rd. 600 t Trockenmist und 140.000 l Abwasser pro Jahr wird in den Antragsunterlagen lapidar ausgeführt, dass beides auf landwirtschaftliche Flächen aufgebracht wird.

Aufgrund dieser erheblichen Mengen sind eine zwangsläufige Überdüngung der Böden und nachfolgend eine weitere Belastung des Grund- und Oberflächenwassers mit Nitraten, Antibiotika und sonstigen Medikamenten zu befürchten. Es fehlen Angaben darüber, 

  •  ob der Mist auf eigenen Flächen verteilt werden soll oder es andere Abnehmer gibt;
  • wo sich diese Flächen befinden;
  • ob die Pflanzen diese Düngermengen überhaupt aufnehmen können;
  • wo die Kotmengen zwischengelagert werden, weil sie in den Wachstumsphasen nicht verteilt werden können;
  • ob die Flächen an sensible Gebiete wie z.B. Naturschutz- und FFH-Gebiete oder Fließgewässer grenzen.

 

Gesundheitsgefahr durch Bioaerosole

 

Bioaerosole bestehen aus belebten und unbelebten Bestandteilen. Die unbelebten Bestandteile sind Staub, die belebten Bestandteile sind Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze, Viren, Milben oder Protozoen. 80 % der luftgetragenen Mikroorganismen sind an Partikel angelagert, werden also mit dem Staub ausgetragen.

 

In einem Gutachten über die gesundheitlichen Auswirkungen durch biologische Aerosole kommt der Sachverständigenrat für Umweltfragen 2004 zu dem Ergebnis, dass sich signifikante Erhöhungen an ernsthaften Erkrankungen, insbesondere der Atemwege, der Haut und der Augenschleimhäute sowie allergieauslösende Wirkungen feststellen ließen. In einer anderen Studie wird dargelegt, dass es sich bei Stäuben und Mikroorganismen insbesondere aus der Geflügelhaltung um potentiell hoch gefährliche Krankheitserreger handelt, die in einem Umfeld von mehreren hundert Metern Gesundheitsgefahren auslösen können.

 

Auch wenn die derzeit verfügbaren Forschungsergebnisse noch keine belastbaren Grenzwerte hergeben, kann eine Gesundheitsgefährdung sowohl für Menschen als auch für Tiere nicht ausgeschlossen werden. Auch vor diesem Hintergrund und aus der Pflicht zur Vorsorge ist die Anlage nicht genehmigungsfähig.

 

Gesundheitsgefährdung durch Antibiotika-Transfer und Antibiotika-Resistenzen

 

Seit 2006 gilt zwar EU-weit das Verbot, Antibiotika prophylaktisch zur Steigerung der Produktion einzusetzen. Doch die Praxis hat gezeigt, dass in der Massentierhaltung weiterhin Antibiotika systematisch eingesetzt werden. So gelangen Antibiotikarückstände aus der Tierhaltung nicht nur in Lebensmitteln vom Tier, sondern auch über Nutzpflanzen in die Nahrung und verstärken die weltweit zunehmenden Risiken durch Antibiotika-Resistenzen.

 

Verstoß gegen das Tierschutzgesetz

 

Die geplante Hähnchenmastanlage ist mit den Vorgaben des deutschen Tierschutzrechtes nicht vereinbar. Nach den Angaben der Immissionsprognose sollen 25 bis 29 % der eingestallten Hähnchen nach 31 Tagen bei einem Mastendgewicht von ca. 1,500 kg ausgestallt werden. Die ver- bleibenden 71 bis 75 % sollen sodann nach 42 Tagen bei einem Mastendgewicht von 2,430 kg ausgestallt werden. Es ergibt sich demnach pro Stall eine maximale Besatzdichte von 40,76 kg/m2, dies verstößt gegen das Tierschutzgesetz.

 

Bei einer solch hohen Besatzdichte ist es den Tieren in keiner Weise möglich, ihre artspezifischen Grundbedürfnisse auszuüben. Es handelt sich dabei um die Grundbedürfnisse

  • ungestörtes Ruhen und Schlafen,
  • gleichzeitige Nahrungsaufnahme,
  • scharren und picken,
  • Strecken der Flügel,
  • Eigenkörperpflege,
  • Sandbaden und
  • erhöhtes Sitzen auf Sitzstangen.

Auch das Sozialverhalten der Tiere ist als artspezifisches Grundbedürfnis anzusehen.

 

Von vornherein in Kauf genommen werden sollen Tierverluste von mindestens 2 %, das sind pro Durchgang 1.600 Tiere und 11.200 Tiere im Jahr, das entspricht 14 Tonnen! Hier ist von einer Tierschutzrechtswidrigkeit auszugehen.

 

Fehlende Nachweise zum Brandschutz und zur Rettung der Tiere im Brandfall

 

Nach der Niedersächsischen Bauordnung müssen bauliche Anlagen so beschaffen und für ihre Benutzung geeignet sein, dass bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind. Dies wird in den Antragsunterlagen nicht einmal ansatzweise nachgewiesen. Eine Evakuierung von je 40.000 Tieren ist von vornherein ausgeschlossen, denn es ist schlichtweg nicht möglich, in einem Brandfall die panischen Masttiere innerhalb weniger Minuten durch die engen Türen zu evakuieren. Aufgrund der erheblichen Brandlast der Einstreu dürfte es darüber hinaus für die Menschen lebensgefährlich sein, eine solche Evakuierung überhaupt zu versuchen. Die geplante Bauausführung der Ställe ist mit den gesetzlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren.

 

Lückenhafte Planungsunterlagen

 

In den Antragsunterlagen fehlen jedwede Angaben zur Breite und Tragkonstruktion der Erschließungswege. Auch sind der Anschluss an das öffentliche Wassernetz, die Erschließung der Löschwasserversorgung und die abfallseitige Erschließung mit Blick auf den anfallenden Festmist nicht nachgewiesen. Da neben dem Anlagenstandort eine Biogasanlage zur Lieferung der notwendigen Wärmeenergie errichtet werden soll, diese also funktional mit der geplanten Hähnchenmastanlage verknüpft wird, ist zwingend die Durchführung eines einheitlichen Genehmigungsverfahrens geboten.

 

Autor: Ulrich Frischgesell

 

NABU-Position zum geplanten „Ziegenhof“ auf dem Heidbrink

Die Domäne Heidbrink befindet sich mitten in dem schönen Weserbogen zwischen Forst und Brevörde, gegenüber des staatlich anerkannten Erholungsortes Polle. Der schöne Weserbogen wiederum liegt im Landschaftsschutzgebiet „Wesertal“.

 

Das Landschaftsschutzgebiet „Wesertal“ wurde bereits 1956 ausgewiesen. Damit ist es eines der ältesten Landschaftsschutzgebiete in der Region. Das heißt, bereits damals, als Natur- und Landschaftsschutz bei weitem noch nicht der Stellenwert beigemessen wurde wie heute, hatte man erkannt, wie wertvoll dieses Gebiet auf- grund seiner Vielfältigkeit und Eigenart sowohl für die Natur als auch für die Erholung des Menschen ist.

 

Es gibt zwischen Hannoversch-Münden und Schaumburg wohl kaum ein Gebiet, das die typische Landschaft des Weserberglandes besser charakterisiert und repräsen- tiert als der besagte Weserbogen.

 

Wie wertvoll und sensibel die Landschaft rund um den Heidbrink ist, belegt auch die Nähe zu den Naturschutzgebieten „In den Eichen“ und Heinsener Klippen“ sowie zum FFH-Gebiet „Burgberg, Heinsener Klippen, Rühler Schweiz“. Ein weiteres Kleinod, das sich nur wenige Kilometer vom Domänengelände entfernt befindet, ist das Renaturierungsprojekt „Weseraue am Heidbrink“. Das Projekt wurde vom NABU initiiert und in Zusammenarbeit mit dem Landkreis Holzminden umgesetzt. Da der Weserradweg auf rund einem Kilometer entlang des Projekt-gebietes verläuft, wollte man mit dem Projekt ein weiteres landschaftliches Highlight am Weserradweg schaffen, um dessen Attraktivität zu steigern und somit den sanften Tourismus in der Region zu fördern.

 

Die zum Teil historischen Gebäude der Domäne Heidbrink, so, wie sie jetzt sind, fügen sich harmonisch in das Landschaftsbild ein. Gebäude und Landschaft bilden so zu sagen ein Ensemble.

 

Die vorläufige Projektplanung des „Ziegenhofes“ hingegen umfasst einen riesigen T-förmigen Stallkomplex, sechs weitere Wirtschaftsgebäude sowie diverse Wege und Plätze. Die Gesamtfläche der Anlage beträgt rund acht Hektar. Würde man einen solchen Gebäudekomplex auf dem Domänengelände errichten, dann könnte von einem Ensemble sicher keine Rede mehr sein.

 

Die Gebäude und Anlagen des „Ziegenhofs“ wären von weit her einsehbar. Sie würden das Landschaftsbild massiv beeinträchtigen und somit einen Kernbereich des Landschaftsschutzgebietes „Wesertal“ entwerten. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass der Erholungswert des Gebietes nachhaltig beeinträchtigt wird. Zweifellos würde man mit der Realisierung des „Ziegenhofs“ ein weiteres landschaft-liches Highlight im schönen Weserbogen schaffen – allerdings im negativen Sinne.

 

Auf der Internetseite des Weserbergland Tourismus e.V. heißt es zum staatlich anerkannten Erholungsort Polle unter anderem: „Die Burgruine der Grafen von Everstein, um die sich in Polle alles dreht, thront hoch auf einem Bergsporn und lädt als attraktiver Blickfang mit sehenswertem Panoramablick zum Verweilen ein.“ Würde der „Ziegenhof“ auf dem Heidbrink Realität werden, dann wird man diesen Satz wohl streichen müssen. Und ob sich das Prädikat „staatlich anerkannter Erholungsort“ für die Ortschaft Polle dann noch aufrechterhalten ließe, erscheint vor diesem Hintergrund eher zweifelhaft.

 

Aufgrund seiner negativen Auswirkungen auf den Naturhaushalt, das Landschaftsbild und die Erholungsfunktion lehnt der NABU das Projekt und damit auch die beantragte Teillöschung des Landschaftsschutzgebietes „Wesertal“ ab, zumal eine nachvollziehbare Begründung, warum das Projekt unbedingt am Heidbrink und somit in einem Landschaftsschutzgebiet realisiert werden soll, bisher nicht erbracht wurde.

 

Daher wendet sich der NABU zusammen mit elf weiteren Verbänden in einer  gemeinsame Erklärung unter der Überschrift „Wir sagen nein zu einer ‚Ziegenfabrik’ auf dem Heidbrink“ an Presse und Öffentlichkeit.

 

Autor: Stefan Jacob

 

Die gemeinsame Erklärung findet man hier:

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Erklärung_Heidbrink.pdf
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