Mausohr-Monitoring 2012

von Imke Meyer

Das Große Mauohr (Myotis myotis) ist mit einer Flügelspannweite von knapp 45 cm, einer Körperlänge von bis zu 8 cm und einem Gewicht von 28 g bis 40 g die größte einheimische Fledermaus- art. Im Sommer bevor- zugen die weiblichen Mausohren große, ge- räumige, warme Dach- böden, die im April bezogen werden und in denen im Juni die Jung- tiere geboren werden - ein Quartiertyp, der als Wochenstube bezeichnet wird. Ende August lösen sich die Wochenstuben langsam auf. Die adulten (erwachsenen) Weibchen verlassen ihre Jungtiere. Ende August / Anfang September machen sich die dann ausgewachsenen Jungtiere ebenfalls auf, um sich ein geeignetes Winterquartier zu suchen.

Der Landkreis Holzminden beheimatet eine vergleichsweise hohe Individuenzahl von Großen Mausohren. Die drei größten Wochenstuben Niedersachsens sind im Landkreis Holzminden anzutreffen:

  • Kirche in Meinbrexen (ca. 2300 adulte Tiere)
  • Schloss in Hehlen (ca. 1700 adulte Tiere)
  • Kirche in Grave (ca. 1000 adulte Tiere)

Da das Große Mausohr nach der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) geschützt ist, soll jeder ihrer Lebensräume erhalten werden. Um die Bestandsentwicklung und damit den Erfolg der Schutzbemühungen zu verfolgen, wird bereits seit Jahren ein bundesweites Mausohr-Monitoring durchgeführt, das von der Arbeitsgruppe (AG) Fledermausschutz des NABU Holzminden durch die Erhebung von Individuenzahlen in den Wochenstuben in Hehlen und Grave unterstützt wird.

 

Im Zuge des Mausohr-Monitorings wird gemäß europaweit einheitlicher Kriterien die Zahl der Tiere vor der Geburt sowie kurz nach der Geburt der Jungtiere bestimmt. Deshalb erfolgen die Zählungen – durchgeführt als Ausflugszählungen – durch die AG Fledermausschutz meist Ende Mai / Anfang Juni und Ende Juni / Anfang Juli.

 

Insgesamt hat die Individuenzahl der Großen Mausohren in den bekannten Wochenstuben im Landkreis Holzminden in den letzten Jahren stetig zuge- nommen. Das Ergebnis ist sehr erfreulich. Insbesondere in der Kirche in Grave, in der die Zahl von 759 in 2002 auf 1177 in 2011 gestiegen ist, entwickelten sich die Individuenzahlen sehr positiv (s. auch Grafik).

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Es blieb keine andere Möglichkeit, als auf dem Dachboden nachzusehen, ob die erwachsenen Tiere dort noch hängen, um auch die Nacht zu verschlafen. Doch insbesondere auf dem Dachboden des Schlosses Hehlen bot sich ein erschreckendes Bild: Es befand sich eindeutig kein erwachsenes Tier mehr auf dem Dachboden, sondern viele Jungtiere, die ab- gemagert wirkten und nach ihren Müttern riefen. Nur etwa die Hälfte der Jungtiere hing ruhig am traditionellen Hangplatz und machte den Eindruck, noch gesäugt worden zu sein. Also entsprach die Ausflugszählung ganz dem Bild, das sich auf dem Dachboden bot. In Grave war sowohl der Einbruch der Individuenzahl als auch die Jungensterblichkeit nicht so hoch wie in Hehlen. Doch auch dort waren die Zahlen nicht erfreulich.

Es zeigte sich, dass die Großen Mausohren in vereinzelten Wochenstuben in Deutschland von hoher Jungensterblichkeit betroffen waren. Diese Nachricht war ein klein wenig beruhigend, da dadurch auszuschließen war, dass eine Störung in den Quartieren vor Ort vorlag. Es gab aber auch Meldungen wie beispielsweise aus dem Osnabrücker Raum von keinen Veränderungen in den dort bekannten relativ kleinen Wochenstuben.


Im Tierreich ist es üblich, dass Mütter ihre Kinder verlassen, wenn die Nahrung nicht für alle reicht. So wird zumindest das Leben der Mutter gerettet. Das scheint u.a. in den Wochenstuben der Großen Mausohren in Hehlen und Grave der Fall gewesen zu sein. Den ganzen Sommer hatte es insbesondere in den Nächten lokal Schauer gegeben, wodurch die Population der nachtaktiven Insekten – Nahrung der Fleder -mäuse – beeinflusst wird und die Jagd nach Insekten für die Fledermäuse zu anstrengend und kraftraubend wird. Große Mausohren legen bis zu 20 km in ihr Jagdhabitat zurück. Diese Strecke muss sich lohnen. Wenn das Nahrungsangebot nicht ausreicht, muss ein Quartier näher am Jagdhabitat gefunden werden und deshalb die Wochenstube und das Jungtier verlassen werden.


Solch wetterbedingten Einbrüche der Individuenzahlen sind in der Vergangenheit bereits vorgekommen. Doch waren sie nie so dramatisch wie in 2012. Als die Jungensterblichkeit in 2007 etwas erhöht war, hatten sich bereits zwei Jahre später – also nach nur einer Reproduktionsphase – die Individuenzahlen wieder stabilisiert. Da in 2012 in Hehlen gerade einmal 50 statt der durchschnittlichen 700 Jungtiere sowie in Grave 200 statt 400 – 500 Jungtiere in der Wochenstube großgezogen wurden, ist mit deutlich geringeren Individuenzahlen für 2013 zu rechnen. Nach nur einem Sommer werden sich die Individuenzahlen nicht stabilisiert haben. Die Ausflugszählungen der nächsten Jahre werden also spannend. Und es bleibt zu hoffen, dass die Wetterlage während der Geburten und Jungenaufzucht der Großen Mausohren in den nächsten Jahren stabiler ist.